Nach Böhmen hin und zurück

Lesung im Kloster Speinshart

 – von Wolftraud de Concini

 am 09. Juli 2014

Neben uns in der Klosterschenke  vier  Personen, darunter eine kleine zierliche Frau die grauen Haare nach hinten zusammengefasst. Sie unterhält sich intensiv mit ihren Begleitern – deutsche Worte fallen und auch  fremdländische. Ist es Tschechisch.  Wohl doch nicht!

Es sind stark ausgetretene Stufen, die in den zweiten Stock von Kloster Speinshart hinaufführen. Man wundert sich, dass man auch Holz flicken kann deutlich erkennbar an verschiedenen eingesetzten Stückchen, die gleichsam wie Intarsien wirken. Dann rechts der schöne intime  Barockraum. Zwischen zwei Türen ein hübsches Gemälde, davor ein Tisch und  da sitzt wieder die kleine zierliche Person mit einem Buch in der Hand. Sie wird also die Lesung halten.

Sie beginnt mit familiären Daten, später begreift man, diese Familiengeschichte ist gleichsam  ein Strang und darum ranken sich historische Daten und  Reflexionen.

Wolftraud de Concini wohnt heute in dem Tal, in dem einst ihr Großvater im Ersten Weltkrieg für Kaiser Franz Joseph Kriegsdienst leistete. Sie ist bekannt als Verfasserin von Reiseführern.

1945 wurde Wolftraud Schreiber heute de Concini  aus dem Riesengebirge vertrieben

Über 60 Jahre später  erhielt Wolftraud de Concini  das Angebot in Kosmanos bei Jungbunzlau zu fotografieren und betritt erstmals wieder böhmischen Boden.

Sie ist zwar in Trautenau im Riesengebirge  geboren, beginnt sich aber erst  im Zusammenhang mit dem Auftrag sich mit ihrer Herkunft  auseinander zu setzen. In Kosmanos lernt sie den Arzt Dr. Milan Novak kennen und mit seiner Hilfe fängt sie an das Böhmische in sich zu erforschen.  Seltsame Zufälle ergeben sich dabei. Ihre Mutter und Dr. Novaks Vater waren beide zu gleichen Zeit am Postamt in Iglau  beschäftigt. Haben sie sich gekannt?

Ein weiterer Zufall, diese beiden haben am gleichen Tag am 16.April 1921 in Südböhmen geheiratet. Frau de Concini besucht den Geburtsort der Mutter in Südböhmen und später Trautenau, wo sie geboren ist  und das Dorf, in dem sie gewohnt hat und ihrer Vater Lehrer war. Allerdings hat die damals Fünfjährige nicht allzu viele Erinnerungen. Wohl weiß sie, wie ihre Familie  im Mai die Lehrerwohnung verlassen musste, und wie sie dann bereits am 6. Juni 1945 nach Schlesien laufen mussten. Sie betont dabei, dass sie keine Gräuel erlebt haben  und versucht dies zu erklären, dass dies  dem Einsatz eines Landsmanns, der im KZ saß,  zu verdanken sei. Sie versucht diesen 16 km des Vertreibungsweges aus dem Sudetenland  bei einer weiteren Reise nach zu laufen, was aber nur fast gelingt.

Im Juni 1945  kommen sie zuerst nach Niederschlesien und finden Unterschlupf bei einer deutschen Bauernfamilie.  Danach geht es weiter nach Niedersachsen.  Das Mädchen Wolftraud  erlebt im Norden Deutschlands  das Schicksal eines Flüchtlingsmädchens und die kümmerliche Existenz der Familie.

Sie hat all dies in poetischer Sprache  verknüpft und gerade zu bewundernswert ist die Betonung auf Italien ist Heimat, aber auch  Böhmen ist meine Heimat.  Und in diesem Sinne lautet auch der Titel ihres „Böhmen hin und zurück“.

Man darf den Koautor nicht vergessen. An verschiedenen passenden Stellen werden tschechische Begriffe oder kurze Texte eingepasst.  Sie sind nie aufdringlich und mancher wird sich an früher erinnern als noch viele unserer Landsleute  zwischen den Sprachen hin und her wechseln konnten.

Konsequent werden  alle Orte zweisprachig benannt. Etwas befremdlich wirkt, dass die Vertreibung nach Schlesien schon mit Vertreibung nach Polen bezeichnet wird.

Margaretha Michel

15.07.2014