Die Gedenktafel am Bayreuther Hauptbahnhof

Dokumentation von Manfred Kees

 

Zeitliche Entwicklung

Bereits im Jahr 2006/2007 beschäftigte sich die Sudetendeutsche Landsmannschaft unter ihrem Ortsobmann Karl Heider mit der Frage, ob am Bayreuther Hauptbahnhof nicht eine Gedenktafel für die hier angekommenen Sudetendeutschen Vertriebenen angebracht werden sollte. Aus verschieden Gründen ließ sich damals die Idee nicht realisieren.

Der Vorstand der SL unter ihrem Ortsobmann Helmut Mürling griff bereits in der zweiten Vorstandssitzung am 24. Juni 2009 die Idee zur Errichtung einer Gedenktafel wieder auf. Die besondere Bedeutung und die dramatischen Folgen der Vertreibung für die Sudetendeutschen insgesamt forderten eine Erinnerung durch eine „Gedenktafel“ auch in Bayreuth zwingend heraus.

Zielsetzung

Hintergrund sind die Vertreibungstransporte der Sudetendeutschen die am Bayreuther Hauptbahnhof im Zuge der grausamen Vertreibung ankamen. Nach dem Mitteilungsblatt der Sudetendeutschen Landsmannschaft 08/2005 trafen von Februar  bis Oktober 1946 in 33 Güterzügen 39 281 Vertriebene aus dem Sudetenland im Bayreuther Hauptbahnhof ein. Bernd Mayer und Edith Bergler hatten diese Thematik aufgegriffen. Daraus entstand ein Presseartikel von Bernd Mayer „Per Viehwaggon in ein neues Leben“ erschienen im Heimat-Kurier 4/2006. Soweit in knapper Darstellung die Fakten. Die Integration der Sudeten-deutschen im Stadt- und Landkreis Bayreuth gelang nach anfänglichen Schwierigkeiten insgesamt sehr gut. Stadt- und Landkreis würdigten mehrfach die hervorragenden Aufbauleistungen der Sudetendeutschen. Neben dem Vertriebenenmahnmal am Luitpoldplatz fehlte aber die Erinnerung an die Vertreibungszüge. Dafür sollte die Gedenktafel geschaffen werden.

Konzeptionelles Verfahren und die ersten Schritte

Nun begann in zahlreichen Gesprächen, Abstimmungen, Verhandlungen, Anträgen und Genehmigungsverfahren die eigentliche Kleinarbeit zur Errichtung einer Gedenktafel. Zu klären waren insbesondere der Standort, das Material, die Größe, die Kosten und natürlich der Text und die Gestaltung der Tafel. Die Diskussionen sind sehr intensiv geführt worden und verliefen nicht immer spannungsfrei. Texte entstanden und wurden wieder verworfen. Lösungen entstanden und sind wieder gekippt worden. Ergebnis all dieser Überlegungen war eine Machbarkeitsstudie von Manfred Kees unter Mitwirkung des Architekten Peter Suess.

Der Text

Die Gedenktafel soll der Zielsetzung erkennbar entsprechen, sie soll historisch aufklären und zeitgemäß mahnen. Deshalb entstand als erster Entwurf ein kurzer, prägnanter, einprägsamer sowie der Vertreibungssituation entsprechender Text. Der Text soll dem Versöhnungs-gedanken nicht widersprechen und kein Eigenlob enthalten. Die Gedenktafel sollte an die Vertreibung erinnern und gleichzeitig eine Wiederholung von Vertreibungen ausschließen. Sie soll also erinnern (Gedenken) als auch mahnen: Nie wieder Krieg und Vertreibung.

Den Vorstandsmitgliedern war auch bewusst, dass möglicherweise aus dieser Kurzfassung eine unzulässige Schlussfolgerung entstehen könnte, dass die Vertreibung nur aus dem „Krieg“ abgeleitet sei und dadurch von den wesentlichen Ursachen abgelenkt wird. Dennoch blieb es mit Zustimmung einer großen Mehrheit des Vorstandes bei dieser Formulierung. Im übrigen hat der Oberbürgermeister Dr. Michael Hohl bei seinen Grußworten zur Enthüllung der Gedenktafel gerate diese Formulierung als wichtiges Signal für die Zukunft herausgestellt.

Nun folgt die Aufzählung der Fakten als historische Tatsachen ohne emotionale Bewertung:

„Von Februar bis Oktober 1946 trafen im Hauptbahnhof Bayreuth 39 281 Vertriebene aus dem Sudetenland in 33 Güterzügen ein“

Hier leidet die Sprache und die Formulierung unter dem knappen Raumangebot einer Gedenktafel.

Trotz des hohen Anteils der Vertriebenen am Wiederaufbau der Bundesrepublik Deutschland,

auch im Stadt- und Landkreis Bayreuth, hat sich der Vorstand letztendlich einstimmig zum Dank entschlossen: „Der Stadt und dem Landkreis sei Dank für die Aufnahme“.

Dies bedeutet keine Minderung der Aufbauleistungen, welche bereits mehrfach anerkannt wurden sondern drückt den ehrlichen Dank für alle erwiesenen Hilfeleistungen aus.

Den Abschluss der Tafel bildet die Landmannschaft mit Zeitangabe: „Sudetendeutsche Landsmannschaft Juli 2010“.

Den ursprüngliche Vorschlag, auch aufzunehmen wer die Gedenktafel gefertigt hat, wollte die KSB nicht aufgreifen.

 

Der Standort

Als Standort für die Gedenktafel kam nur der Hauptbahnhof Bayreuth in Frage, weil hier die

geschundenen „Menschen“ ankamen und „verteilt“ wurden. Wegen der besonderen Bedeutung wurde deshalb eine exponierte Stelle gesucht und am zweiten Fenster im Haupt-eingangsbereich des Hauptbahnhofes auch gefunden und so festgelegt. Diesen Ort begehen nicht nur die Bahnhofsnutzer sondern als Teil eines öffentlichen Bereichs auch viele Bürger der Stadt und des Landkreises. Damit schien ein hoher Erkennungs- und Wahrnehmungswert gesichert.

 

Form, Gestaltung, Größe, Material

Die Tafel ist ein Bronzeguss mit einem Gewicht von rund 70 kg. Sie ist ca. 1 m breit,             ca. 0,50 m hoch und ca 20 mm stark. Hergestellt hat die Gedenktafel die Fa. KSB, Pegnitz mit ihrer Lehrwerkstatt und ihren Auszubildenden. Die ursprünglich geplante Herstellung mit der Berufsschule Bayreuth/Pegnitz ließ sich leider wegen eines technischen Defektes im Brennofen nicht realisieren. Deshalb übernahm die Lehrwerkstatt der KSB auch diesen Herstellungsgang. In der ersten Phase war ein Holzmodell in der Größe der Gedenktafel zu fertigen. In der zweiten Phase ist durch Sandbefüllung des Holzmodels und eingießen mit flüssiger Gussbronze die Tafel selbst entstanden. Der Rohling war im erkalteten Zustand zu entgraten und abschließend zu polieren. Das Werk ist meisterlich entstanden. Die Federführung lag bei Meister Josef Kaul.

Fachmännisch montiert hat die Tafel die Fa. MARKGRAF, Herr Wolfgang  Nickl am Freitag,

23. Juli 2010 in Anwesenheit des Vorstandsmitgliedes Hermann Köhler.

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Die Presse hat im Vorfeld des Festaktes zur Enthüllung der Gedenktafel sehr ausführlich informiert. Ausgangspunkt war ein Pressegespräch von Helmut Mürling und Manfred Kees mit Herrn Gunter Becker vom Nordbayerischen Kurier am 01.07.2009. Der Berichterstatter erhielt in einer Pressemappe ausführliche Information über die Sudetendeutschen, über die Sudetendeutsche Landsmannschaft und zur Zielsetzung der Gedenktafel

Außerdem schaltete die SL Bayreuth noch einen bezahlten Aufruf zur Teilnahme an der Enthüllung der Tafel.

Mehr als 200 Einladungen hat der Obmann Helmut Mürling an Mitglieder und zahlreiche Ehrengäste versandt.

Der Festakt ist ausreichend dokumentiert durch Presseberichte, durch einen Videofilm von Karl Marka, durch zahlreiche Bilder und mit einer umfangreichen Darstellung auf der Internetseite der Sudetendeutschen Landsmannschaft Bayreuth durch den Ortsobmann Helmut Mürling (www.sudeten-bayreuth.de).

Fazit und Dank

Die Planung und Herstellung der Gedenktafel war ein zeitraubender aber sehr interessanter Prozess. Der Blick in die historische Entwicklung, die schlimmen Folgen einer massenhaften Vertreibung, das Elend der betroffen Frauen, Männer und Kinder sind uns allen nochmals vor Augen geführt worden. Der Einsatz der ersten Helferinnen und Helfer, die Unterbringung in Lagern, die Erstversorgung mit Lebensmitteln und Decken und die großen Hilfen der ein-heimischen Bevölkerung waren überwältigend. Natürlich hat es Jahre, ja Jahrzehnte gedauert,

bis eine erträgliche Integration zu Stande kam.

Zur Erinnerung an die schwerst betroffenen Menschen, zum Dank für alle Hilfen bei der Aufnahme der vertriebenen Sudetendeutschen und zur Mahnung für die heutige und folgenden Generationen war die Gedenktafel zwingend erforderlich.

 

Allen Beteiligten sei Dank und Anerkennung ausgesprochen.

 

Das ist's ja, was den Menschen zieret,
Und dazu ward ihm der Verstand,
Daß er im Herzen spüret,
Was er erschaffen mit seiner Hand*

 

*Friedrich Schiller, Das Lied von der Glocke

 

 

Zeittafel und Meilensteine

 

24.06.2009            Grundsatzfestlegung des Vorstands zur Fertigung einer Gedenktafel

22.07.2009            Grundsatzbeschluss: Ein neuer Versuch ist zu starten

17.12.2009      Erstellen einer Machbarkeitsstudie durch M. Kees

17.12.2009      Schreiben des OB und des Landrates zur Unterstützung der Genehmigung

12.01.2010      Begehung am Hauptbahnhof  mit H. Mürling, E. Bergler, M. Kees

25.01.2010      Abstimmungstermin am Hauptbahnhof  mit Bahnhofsmanagement

                        Bamberg, Stadtverwaltung und Landratsamt (Steinhoff, Schubert,

Seeser, Benz)

25.01.2010            Übergabe der Antragsunterlagen an Frau Heike Steinhoff, Bahnhofs-

                        mangement Bamberg

17.02.2010            Beschluss des Vorstandes zum Text

09.03.2010            Abstimmungsgespräch mit OStD Horst Rustler zur Fertigung in  Kooperation zwischen Berufsschule und KSB, Pegnitz, M. Kees

14.04.2010            Abstimmungsgespräch mit KSB, Herrn Eller und Kaul zur Fertigung eines Modells und zur Herstellung der Gedenktafel, M. Kees

30.04.2010       Anträge zur Genehmigung der Gedenktafel an die Bahn  und die Stadt                                                                   Bayreuth,         Bauordnungsamt, Denkmalschutz, M. Kees

04.05.2010       Genehmigung des Bauordnungsamtes Bayreuth zum Anbringen der Tafel

14.05.2010      Gestattungsvertrag mit der Bahn  abgeschlossen

24.06.2010            Besichtigung der Holzmodells bei KSB, Herren Kaul und Meister,

       Mürling, Bergler, Kees

01.07.2010      Pressegespräch mit Gunter Becker, NK sowie H. Mürling und M. Kees

09.07.2010      Die Gedenktafel ist gegossen und wird noch poliert

14.07.2010      Zweites Abstimmungsgespräch mit Herrn Dipl. Ing. Markgraf

                        Fa. MARKGRAF übernimmt die Montage

22.07.2010      Endgültiger Fertigstellungstermin

23.07.2010            Montage der Gedenktafel durch die Fa. MARKGRAF,

      Herr Wolfgang Nickl

28.07.2010            Festakt zur Enthüllung der Gedenktafel

mit Oberbürgermeister Dr. Michael Hohl, 1. Bürgermeister Andreas Voit Warmensteinach als Stellv. des Landrates, als Überraschungsgast der Historiker und Völkerrechtlicher Alfred-Maurice de Zayas ,  Bahnhofsmanagement Bamberg,  Herr Schubert,   KSB Herr Kaul und Meister, Posaunenchor Sankt Georgen unter ihrem Leiter Alfred Oetter und der Burschenschaft Thessalia zu Prag. Ehrung von Frau Christl Fritzsch und Ursula Kastner als Zeitzeugen. Helmut Mürling als Obmann hielt die Begrüßung, nahm die Enthüllung zusammen mit dem OB und dem Stellvertreter des Landrates vor und dankte allen Beteiligten. Frau Edith Bergler gab einen historischen Rückblick über das Ende des Zweiten Weltkrieges, die Vertreibung und vor allem über die 33 Vertreibungszüge nach Bayreuth ab.

An der Veranstaltung nahmen rund 120 Besucher teil.

Bayreuth, 02. August 2010