Monsignore Otte bei seiner Amtseinführung als Probst

Ein heißes Thema:

Die Kirche in der 

Tschechischen Republik

 

Dazu hatte die Sudetendeutsche Landsmannschaft und die Katholische Erwachsenenbildung Bayreuth Monsignore Anton Otte, Probst des königlichen Kollegiatskapitel St. Peter und Paul auf dem Vyšehrad, in Prag eingeladen. Gekommen waren auch der 1. Vorsitzende der Katholischen Erwachsenenbildung Georg Klaus, die Kreisvorsitzende Margaretha Michel, der BdV Vorsitzende Helmut Hempel, die Altobleute Karl Heider und Helmut Mürling, Diakon Dr. Karl-Werner Goldhammer, Hochschulpfarrer Dr. Helmut Wiesner, Vertriebenenseelsorger der Erzdiözese Bamberg, Geistlicher Rat Herbert Hautmann, die Vorsitzende der Deutsch- Tschechischen-Gesellschaft Kristina Jurosz und der Historiker Dr. Norbert Aas.

Monsignore Otte in Aktion

Im Vorspann zeigte Altobmann Helmut Mürling eine Dia-Serie über Sakralbauten aus dem Sudetenland, vor allem aus dem Raum Komotau und Kaaden, also die steinernen Zeugen der Religiosität. Der nachfolgende Bericht ist eine Zusammenfassung aus dem Vortrag von Anton Otte, der Einführung durch Manfred Kees und der anschließenden Diskussion.

Anton Otte begann seine Ausführungen mit der Schilderung seiner Kindheit, der Entwicklung während und nach der Vertreibung und seines Lebensweges bis zur Priesterweihe 1967.
Geboren ist Otte am 15. August 1939 in Weidenau, Krs. Freiwaldau. Seine Familie wurde nicht ausgewiesen und verblieb in der Heimat. Für ihn war deshalb die Kirche der Ort, wo man daheim war, wo man die Muttersprache noch pflegte und wo man deutsch beten und singen konnte. „Wir hatten keinen Hunger und konnten uns auch nicht besonders beklagen“.

Dies änderte sich mit der kommunistischen Machtübernahme gravierend. Regimetreue war angesagt. Die Religionsausübung wurde behindert und staatlich gesteuert. Kirchenaustritte wurden gefordert. Mit 16 Jahren musste Otte zum ersten Verhör, weil er Einladungen zum Religionsunterricht verteilt hatte. Sein späterer Versuch Priester zu werden, scheiterte. Otte solle sich in den Aufbau des Sozialismus einbringen und von einem Besuch des Priesterseminar absehen. Das Theologiestudium in Leitermitz/Litoměřice ist ihm letztendlich verwehrt worden. Daher siedelte er im Mai 1960 gemeinsam mit seiner Familie in die Bundesrepublik Deutschland aus. Eine besondere Sorge war für die vaterlose Familie die Frage, „Wie gehen unsere Landsleute mit uns um? Wir hatten doch tschechische Freunde!“. Hier erwies sich die Ackermanngemeinde als wichtiger Integrationsfaktor.

Einführung durch Vorstandssprecher Manfred Kees

In den Jahren 1960 bis 1966 studierte er Theologie in Königstein, Wien und Bamberg, wo er 1967 die Priesterweihe empfing. 1991 Jahr wurde er für Seelsorgeraufgaben in der Tschechischen Republik beurlaubt. 1992 übernahm er die Aufgabe als Geistlicher Beirat der Ackermann-Gemeinde auf Bundesebene. 1997 wurde er für die deutsche Auslandsseelsorge in Prag freigestellt. Vielen Bayreuthern ist er auch als Gefängnisseelsorger an der JVA St. Georgen bekannt.

Wie entwickelte sich die Katholische Kirche nach der Vertreibung? Wie ist die aktuelle Situation? Was bewegt die Christen heute?

Die Ausbildung der Laien und der Priester in der kommunistischen Tschechoslowakei war sehr unqualifiziert. Die ernannten Bischöfe waren noch „kommunistisch“ geprägt. Die Kirche entwickelte sich zu einem Getto. Sie war geduldet, wenn sich die Gläubigen nicht öffentlich für die Kirchenrechte einsetzten. Auch der Vatikan zeigte eine deutliche Zurückhaltung.

In den letzten zwanzig Jahren nach der „samtenen Revolution“ hat sich dies stark verbessert. Es gibt zahlreiche gut ausgebildete Priester auch aus Rom und Deutschland.


Nur 31,7% der Tschechen bezeichnen sich als religiös. Das ist verglichen mit den westlichen Nachbarländern oder dem katholischen Polen, ca. 90%, nicht viel. In der Tat scheint es, dass die Tschechen ein Problem mit ihrem Schöpfer haben. Dabei war das große nationale Vorbild Kaiser Karl IV ein frommer Christ, der viele Kirchen im Land bauen ließ.
Trotz der relativ geringen Zahl an gläubigen Tschechen (26,8 % römisch-katholisch, 3,2 % Protestanten) ist doch in den Jahren seit der Wende eine, wenn auch nur leichte, Belebung des religiösen Lebens zu verzeichnen. Das Verhältnis zwischen den Sudetendeutschen und der Tschechischen Republik beginnt sich zu entkrampfen. Wir sind als Bundesrepublik Deutschland und als Freistaat Bayern ein unmittelbarer Nachbar und sollten uns vertragen Dennoch dürfen wir nicht geschichtslos werden und müssen versuchen, die Fehler der Vergangenheit aufzuarbeiten. Und dazu gehört natürlich in allererster Linie die gewaltsame Vertreibung von mehr als drei Millionen Sudetendeutschen. Das Leben dieser vertriebenen Sudetendeutschen war immer und sehr tief von der Religion  geprägt. Die Religion war ein permanent vorhandener Grundpfeiler ihres Lebens.

Was ist daraus in unserer Heimat geworden? 1890 war die Bevölkerung Böhmens zu 96 % katholisch, 2 % evangelisch und ca. 1% jüdischen Glaubens. Mit den fast drei Millionen Katholiken sind auch 1800 Priester, deutsche Äbte, Domkapitulare, ein Weihbischof und weit über 3000 Schwestern vertrieben worden.Viele Klöster standen nach der Vertreibung 1946 leer und verfielen Zusehens. Insgesamt wurde die katholische Kirche in der Tschechischen Republik im 20. Jahrhundert um die Hälfte dezimiert. Nach der letzten Volkszählung bekannten sich 1,048 Millionen Tschechen zur Katholischen Kirche. Die Zahl ist auch deshalb so gering, weil die Bürger nicht verpflichtet waren, die Religionszugehörigkeit anzugeben.

Das Pressezentrum des Heiligen Stuhls veröffentlichte statistische Angaben über die Kirche in der Tschechischen Republik, gültig zum 31. 12. 2008, als Bestandteil der Vorbereitungen der apostolischen Reise des Heiligen Vaters. In der Tschechischen Republik lebten zu diesem Datum 10 380 000 Einwohner, unter ihnen 3 290 000 Katholiken (31, 7 %). Innerhalb der Republik gab es 9 Einheiten der kirchlichen Verwaltung (5 böhmische und 3 mährische Diözesen und 1 Apostolisches Exarchat der Griechisch-katholischen Kirche), mit 2 576 Pfarreien und 70 anderen Pastoralzentren. In der geistlichen und Pastoralverwaltung wirkten 20 Bischöfe (davon 3 griechisch-katholische), 1 370 Welt- und 586 Ordenspriester, insgesamt also 1 956 Priester, 178 Diakone, 116 Ordensbrüder, 1 609 Ordensschwestern, 160 Mitglieder der Säkularinstitute und 1 109 Katecheten. Im Priesterseminar bereiteten sich 184 Seminaristen zum Priestertum vor. Die katholische Kirche betrieb 39 Kindergärten und Grundschulen, die 5 412 Kinder besuchten, weiter 33 Mittelschulen mit 8 525 Schülern und 7 höhere oder Hochschulen, mit   2 040 Studenten.

Die Kirche betrieb auch 50 Krankenhäuser, 98 Ambulanzen, 134 Altenheime, 59 Kinderheime, 58 Familienberatungsstellen und Beratungsstellen für den Lebensschutz, 170 Zentren der speziellen Ausbildung und 28 anderen Institutionen. Leider fehlen die Zahlen aus dem protestantischen und jüdischen Bereichen.

Die Diktatur des Proletariats nach 1945 trug nicht gerade zu einer Frömmigkeit der Tschechen bei. Stärker als z.B. in der ehemaligen DDR versuchte die Regierung, die Kirche zu kontrollieren. So wurden beispielsweise die Priester vom Staat bezahlt und dieser sprach auch ein Wörtchen bei der Auswahl der Geistlichen mit. Kurioserweise hat sich das nach der Wende nicht geändert. Auch heute erhalten Priester ihr Gehalt vom Staat. Aktuell streiten sich Kirche und Staat um renommierte Gotteshäuser, wie dem nationalen Symbol "St.-Veitsdom", der aktuell mal wieder dem Staat zugesprochen wurde. Die tschechische Regierung hat den christlichen Kirchen in Aussicht gestellt, ihnen für den vom kommunistischen Regime enteigneten Besitz eine finanzielle Entschädigung von 90 Milliarden Kronen, verteilt auf 16 Jahren zu zahlen.

Ebenso wie in der Bundesrepublik Deutschland, nimmt die Haltung der tschechischen Gesellschaft ohne Religion und ohne Gott auszukommen, zu. Auch der Kirchenbesuch ist so gering wie in der Bundesrepublik, aber mit leicht steigender Tendenz. Eine angenehme Überraschung zeigt sich bei den Intellektuellen. Mehr und mehr bekennen sich in dieser Gruppe als Katholiken. Diese Tendenz ist auch bei Jugendlichen festzustellen.

Manfred Kees

26.06.2012