1302 Otfried Preußler in neuem Licht

Ein Vortrag von Mgr. Katerina Kovačková aus Pilsen

Pressebericht

Otfried Preußlers "Flucht nach Ägypten. Königlich-böhmischer Teil"

Eingeladen hatten die Sudetendeutsche Landsmannschaft und die Katholische Erwachsenen-bildung Bayreuth. Wer kennt ihn nicht ? Otfried Preußler aus Reichenberg. Seine Schaffenskraft war offenbar unermüdlich und wer schreibt bleibt. Trotz heißen Sahara Temperaturen fanden sich 40 neugierige Sudetendeutsche und ihre Freunde in Bayreuth zum Vortrag ein. Vertreten war auch Dr. Beate Kuhn, die 3. Bürgermeisterin, Dr. Wolfgang Stahl von der Katholischen Erwachsenenbildung und Margaretha Michel. Mitglied des Präsidiums der Bundesversammlung und Kreisvorsitzende der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Kreis Bayreuth sowie Altobmann Helmut Mürling.

Otfried Preußler in neuem Licht“.

Bei der Vorbereitung dieser Veranstaltung im Dezember 2012 hatte der Vorstand diskutiert, ob wir Otfried Preußler mit einladen sollten. Die Antwort hat Otfried Preußler leider selbst gegeben. Er ist am 18.02.2013 in Prien am Chiemsee im Alter von 89 Jahren verstorben.

Die böhmische Germanistin Kateřina Kovačková aus Pilsen referierte sehr gekonnt über das Thema „Otfried Preußler in neuem Licht“. Um es vorwegzunehmen, das interessierte und sachverständige Publikum nahm die Ausführung mit großer Begeisterung auf und dankte mit kräftigem Applaus.

„Was ist nun das Neue“ an Preußlers Roman Die Erstausgabe datiert aus dem Jahr 1978. Sein Roman „ Die Flucht nach Ägypten“ ist indes weniger bekannt. Mit großer Fabulierkunst erzählt Otfried Preußler eine biblisch-märchenhafte Geschichte vor dem Hintergrund der böhmischen Landschaft.

Otfried Preußler wurde bekannt durch seine weit verbreiteten Kinderbücher, wie „Der kleine Wassermann“,  „Die kleine Hexe“, „Das kleine Gespenst“ oder “Der Räuber Hotzenplotz“. Prägend waren hier vor allem als Geschichtenerzähler Preußlers Großmutter Dora und sein Vater. Beide verfügten über einen fast unerschöpflichen Fundus an Geschichten und Sagen aus dem böhmischen Raum, der Heimat von Otfried Preußler. Und nun im Alter von 55 Jahren ein Wandel zu einem Roman für Erwachsene, mit scheinbar biblischer Quelle, eine „Nachahmung der Heiligen Familie“? Nein, betont Kovačková, „es handelt sich um eine wahrhaftige Geschichte“. Preußler verlegt dieh Fluct nach Ägypten ins Böhmische und ver-schiebt die Landkarte einfach in diesen Raum. „Der Weg von Bethlehem nach Ägypten muß damals, in jenen heiligen Zeiten, durchs Königreich Böhmen geführt haben …“. „Das wird zwar geschätzte Leser schwerlich sich vorstellen können, wenn man die heutigen Landkarten sich vor Augen hält; nur – die heutigen Landkarten sind eben damals noch nicht in Gebrauch gewesen, …“ meint Preußler im Kapitel Numero eins seines Werkes. Exakt benennt Preußler die Schauplätze seiner Heimat wie Schluckenau, das böhmische Niederland, den Jeschken, das Vorland des Iser- und Riesengebirges und „zuletzt auf der Alten Zollstraße über Schatzlar hinaus ins Schlesische, wo es dann nach Ägypten hinüber nicht allzu weit mehr gewesen ist“. Diese Exaktheit der Topografie fehlt in seinen Kinderbüchern. Das Böhmische wurde noch nicht beim Namen genannt. Die „Flucht nach Ägypten“ sieht Kovačková als eine Zensur, als selbsttherapeutische Reinigung, als innere Befreiung an. Der Weg der Heiligen Familie stimmt mit dem Fluchtweg der Familie während der Vertreibung überein. Ist dies ein Grund für die Zensur? Jedenfalls ist der Roman, wie kein anderes Werk aus dem deutsch-böhmischen Raum eine völkerversöhnende, auf christlichen Werten fundierte Botschaft.

Wie „funktioniert“ Preußlers Sprache? Warum hat er so erfolgreich geschrieben? Preußler erzählt Geschichten und so schrieb er auch. Blumig, opulent, nicht zeitgemäß in einem barockhaften böhmischen Duktus. Ein scheinbar naiver Erzählstil holprig umständlich und eine Übernatürlichkeit in den Handlungen. Die einzig große Spannung in dem Roman ist für den Leser beunruhigend und bleibt ungewiss: Gelingt die Flucht?

Preußler zwingt auch dem Leser seine Meinung und Auffassung nicht auf. Die nationalen Zwistigkeiten und Auseinandersetzungen schildert er mit Satire und Ironie. Er stellt die Engstirnigkeit übertrieben dar, stellt sie damit bloß und schildert damit offenbar, wie er sie selbst erlebt hat.

Köstlich ist die Darstellung der Balance zwischen dem einfachen Leben in den böhmischen Dörfern und der k.k. -Verwaltung in Prag im Kapitel Numero drei oder die Kleinkariertheit in der nationalen Auseinandersetzung zwischen den Deutschen und den Tschechen. Anhand zweier Leseproben stellte die Referentin dies deutlich heraus. Die Königlich böhmische Statt-halterei auf der Prager Burg erhält, kurz nach zwei, die allerhöchste Depesche aus Wien und der Kanzleidiener Papouscheck soll sie unverzüglich dem Herrn Kanzleischef im Präsidialbüro, dem damaligen k.k. Statthaltereirat I. Klasse mit Titel und Charakter eines Hof-rates … aushändigen. JUDr. Johann Nepomuk Wottruba Ritter von Treuenfels wiederum schickt den Papouschek in den zweiten Stock hinauf zum Herrn Bezirkshauptmann Freiherr von Webern mit der Bitte, dieser soll bittschön sofort, weil es nämlich dringlich ist, zu ihm herunterkommen. Papouscheck „trifft unterwegs auf dem Stiegenabsatz per Zufall mit einem ehemaligen Schulfreund aus Smichov zusammen, dem jetzigen Ober-Offizal Rothky vom k.k. Gebühren-Bemessungsamt in der Tischlergasse, welcher gerade ein Schreiben seiner Behörde dem Rechnungsbureau der Statthalterei übergeben hat. … So dringlich kann auf der ganzen Welt überhaupt kein Auftrag sein, dass man nicht wenigstens miteinander ein Wörtl redet: Wie es dem einen geht und dem anderen, mitsamt der Familie und den Anverwandten, und was man von dem oder jenem Schulkameraden gehört hat; der kleine Patzelt soll ja in Podiebrad mittlerweile drei Häuser haben; …..“ usw. usw.

Man merkt es Katerina Kovackova während ihres sehr lebendigen Vortrages und auch in der abschließenden sehr lebhaften Diskussion an: Sie ist eine sehr gute Kennerin der Werke von Otfried Preußler und hat sich in die böhmische Eigenarten hineinversetzt. Sie ist auch gespannt, auf den noch nicht veröffentlichten Nachlass von Otfried Preußler. Eröffnen die  Manuskripte mit Aspekten über die Vertreibungs- und Nachkriegserlebnissen eine andere Sichtweise auf den erfolgreichen „Geschichtenerzähler“?

Manfred Kees, 21.06.2013

Die Referentin:                                                                                                                                                                                                                             Mgr. Kateřina Kovačková, Jg. 1981, wurde in Pilsen, Tschechien geboren. An der dortigen Westböhmischen Universität studierte sie Germanistik und Kunst und schloss ihr Studium mit dem Staatsexamen für das Lehramt in Deutsch und Kunst ab. Stipendienaufenthalte (u.a. der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" und des Deutschen Akademischen Austauschdienstes) führten sie an die Universität Regensburg, die Humboldt-Universität Berlin und die Ludwig-Maximilians-Universität München. Außerdem erhielt sie Stipendien des Adalbert-Stifter-Vereins München und der Deutschen Literaturarchivs, Marbach am Neckar.
Frau Kateřina Kovačková ist seit Oktober 2009 DAAD-Promotions-Stipendiatin und schrieb ihre Dissertation an der Ludwig-Maximilians-Universität München im Fach Neuere deutsche Literatur bei Prof. Dr. Wven Hanuschek. Ihr Forschungsgebiet ist auf die deutschböhmische Literatur, die nach 1945 entstanden ist, fokussiert. In ihrer Arbeit geht sie der Frage nach, wie die Kindheit in Böhmen, das deutsch-tschechische Miteinander und die Vertreibung in der erzählenden fiktionalen Prosa literarisch umgesetzt werden.

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Irmgard Ludewig und Marianne Lerch

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3. Bürgermeisterin Dr. Beate Kuhn

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Die Referentin Mgr. Katarina Kovackova

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Dr. Stahl von der Katholischen Erwachsenenbildung + Katerina Kovackova

Einladung zum Vortrag