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Herr Sulko mit Manfred Kees bei seinem Vortrag im Historischen Rathaussaal

Wie geht es den Deutschen in Böhmen, Mähren und Schlesien?"

Im sehr gut besuchten Historischen Rathaussaal boten die Sudetendeutsche Landsmannschaft und die Katholische Erwachsenenbildung gemeinsam einen Vortrag mit dem Thema „ 21 Jahre nach der Wende: Wie geht es den Deutschen in Böhmen, Mähren und Schlesien?" an.  Referent war Richard Šulko (49) aus Pilsen, Vorsitzender vom  „Bund der Deutschen, Region Egerland".

Mit der Vertreibung der rund 3,5 Millionen Sudetendeutschen 1945/1946 sind nicht alle Deutschen aus ihrer Heimat ausgewiesen worden. In den Industriegebieten überwiegend in Nordböhmen brauchten sie die Tschechen als Facharbeiter. Sie mussten deshalb unter erschwerten Lebensbedingungen bleiben. Über diese 1946 rund 270 000 heimatverbliebenen Deutschen und deren Nachkommen berichtete Richard Šulko in seinem Vortrag.

Richard Šulko wurde 1960 als Sohn einer deutschen Mutter und eines slowakischen Vaters im Egerland geboren. Šulko bezeichnet sich als heimatverbliebenen Egerländer. Nach der Wende 1989 gründete sich der Bund der Deutschen Landschaft Egerland (BdDLE), den Šulko führt. Ziel dieses Verbandes ist es Minderheitsrechte für die heimat-verbliebenen Deutschen durchzusetzen sowie eine Völkerver-ständigung zwischen Bürgern der Tschechischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland herzustellen. Richard Šulko ist geprägt, von der Sehnsucht nach gerechter Gleichberechtigung mit den Tschechen. Unter der kommunistischen Herrschaft ist das Deutschtum systematisch vernichtet worden. Es begann mit dem Verbot der Deutschen Sprache, mit Ausgangsverboten, mit der Abgabe aller Musikinstrumente, es gab keine Lebensmittelkarten für Deutsche, Arbeitseinsatz ohne Lohn oder mindestens 20 % Lohnabzug, kein deutschsprachiger Unterricht, Diskriminierung in allen öffentlichen Bereichen und keine Rundfunksendungen in deutscher Sprache bis zum Jahr 1957. Bis 1953 waren diese Deutsche staatenlos. Die ersten Lockerungen brachte 1968 der Prager Frühling. Rund 27 000 Ausreisen von Deutschen waren die Folge. Trotz Erleichterungen blieben die Deutschen Bürger zweiter Klasse. Eigentumsansprüche blieben weiter verwehrt. Eine weitere Zäsur folgte im Jahr 1989. In zähen Ringen gelingt es der deutschen Minderheit, mehr Rechte für sich zu erkämpfen. So werden 23 deutsche Verbände zugelassen, es gibt eine deutsche Zeitung und deutschsprachige Rundfunksendungen. Am 7. November 1992 fand in Reichenberg die konstituierende Sitzung der „Landesversammlung der Deutschen in Böhmen, Mähren und Schlesien" statt. Damit haben die Deutschen in Tschechien ein demokratisch gewähltes „Parlament" zur Durchsetzung ihrer Forderungen gegenüber dem Tschechischen Staat.

Natürlich handelt es sich dabei nicht um eine staatliche Institution und die Durchsetzungsfähigkeit bleibt begrenzt.

Aufbauhilfen leisteten die Sudetendeutsche Landsmannschaft und die Eghalanda Gmoin mit Rat und Tat und finanziellen Mitteln. Es gibt inzwischen auch den Deutsch-Tschechischen Zukunftfonds zur Projekt-förderung.

Noch heute, ist es im im atheistischen Tschechien schwierig, ein Leben im christlichen Glauben zu führen. Nur 30 % der Tschechen geben an einer Religionsgemeinschaft anzugehören.

Welche Fazit zieht Richard Šulko aus über zwanzig Jahren Arbeit voller Begeisterung für das „Deutschtum" in der Tschechischen Republik ? Noch immer bekennen sich rund 39 000 (Ergebnis der Volkszählung 2001) als Angehörige der Deutschen Minderheit in Tschechien. Das Verständnis unter den jungen Tschechen für die über 800 Jahre dauernde gemeinsame Geschichte nimmt zu. 14 Deutsch-Tschechische Begegnungszentren arbeiten weiter im Sinne der Völkerverständigung. Die Deutsche Minderheit wird inzwischen akzeptiert. Es gibt zweimal in der Woche eine halbstündige Rundfunksendung in deutscher Sprache. Alle zwei Wochen erscheint eine deutschsprachige Zeitung. Inzwischen gibt es eine große Zahl an Publikationen, Musikträgern und Bücher in deutscher Sprache. Daneben existieren mehrere Volkstanzgruppen, Gesangschöre und Theatergruppen. Ein Bildungs- und Sozialwerk versucht eine Milderung des Unrechts als eine Art der Entschädigung für die nach dem Kriegsende erfolgten gesundheitlichen Schädigungen herbei zu führen. Über die aufgrund des Nachbarschaftsvertrages 1992 gegründete Bohemia Troppau o.p.s können Angehörige der deutschen Volksgruppe mit kleinen und mittelgroßen Unternehmen in der Tschechischen Republik Fördermittel erhalten. Die Deutschen haben den Status einer geschützten anerkannten Minderheit erhalten und können für Projekte Zuwendungen beantragen. Dazu gibt es bei den Bezirken und Städten Minderheitenkommissionen. Dieses Instrument funktioniert aber nur erheblich eingeschränkt.

Trotz der erkennbaren Verbesserung der Lebensverhältnisse der Deutschen in Tschechien bleiben viele Bereiche noch offen. Dazu zählt Šulko das Thema Entschädigung und Aufhebung der Benesch-Dekrete, die Durchsetzung von zweisprachigen Ortstafeln in den mehr als 14 Gemeinden mit mehr als zehn Prozent Deutschen, die Zusammenführung der Deutschen unter einem Dachorgan sowie die volle Anerkennung der Deutschen mit allen Minderheitsrechten, wie sie in dem sich weiter entwickelnden Europa üblich sind.

 

 

Manfred Kees

16.06.2010